Flüchtlinge finden in ihren Aufnahmeländern Sicherheit, sehen sich aber mit vielen Herausforderungen in der unbekannten Gesellschaft konfrontiert. Ein besonderer Schwerpunkt bei der Integration ist die Unterstützung von unbegleiteten Minderjährigen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Auch die Gärtnerei Ernst Meier AG engagiert sich.
Text: Claudia Bertoldi
Eine Arbeit oder Ausbildung ist für Flüchtlinge die beste Möglichkeit, sich in der neuen Heimat zu integrieren, finanziell unabhängig zu werden und sich längerfristig ein selbstständiges Leben aufzubauen. Seit 2018 unterstützt der Zürcher Verein Robij (Rotarier für die berufliche Integration Jugendlicher) minderjährige Flüchtlinge und vermittelt Kontakte zu lokalen Ausbildungsbetrieben. «In der Schweiz bestehen hochgesetzte Ausbildungsziele, was dazu führt, dass viele Lehrstellen unbesetzt bleiben. Die Betriebe haben zunehmend Mühe, Jugendliche zu einer Ausbildung in einem handwerklichen Beruf zu motivieren. Gleichzeitig kommen viele Menschen ohne jegliche Ausbildung in unser Land, die gerne arbeiten möchten», sagt Marianne Hopsch, Präsidentin des Vereins Robij. Deshalb werden motivierte Unternehmen gesucht, die offen für neue Wege der Nachwuchsgewinnung sind.
Die Motivation und Engagement zählen
Eines der ersten Unternehmen, das seine Unterstützung anbot, war die Ernst Meier
AG aus Dürnten (ZH). Anfang 2020 konnten 16 Jugendliche am Berufserkundungstag
im Garten-Center teilnehmen. Bei diesen Veranstaltungen stellen Betriebe diverser Berufszweige ihre Tätigkeiten vor, und die Jugendlichen können sich bei praktischen Tests selbst erproben. Im Idealfall finden sie dabei Gefallen an der vorgestellten Arbeit oder erkennen beim Vergleich, welche Richtung sie einschlagen möchten.
Nach einer Führung durch die Gärtnerei waren im Garten-Center mehrere Stationen
zu absolvieren. «Viele der Jugendlichen können sich nicht gut in Deutsch verständigen.
Doch durch Sehen, Berühren und Probieren erschliesst sich vieles ganz von selbst.
An diesem Nachmittag lernten sie unter anderem, einen Rosenstock zu schneiden, und jeder bepflanzte eine Blumenschale, die er mitnehmen konnte», berichtet Thomas
Walser, Standortleiter der Gärtnerei Tann der Ernst Meier AG. «Die Motivation steht
bei uns an erster Stelle.»
Drei der Teilnehmer waren so begeistert, dass sie am liebsten sofort in die Schnupperlehre eingestiegen wären. Doch dann kam Corona. Inzwischen sind drei der damaligen
Teilnehmer erfolgreich ins Berufsleben gestartet. Nicht bei der Ernst Meier AG, aber
in handwerklichen Tätigkeiten bei Genossenschaften und in einer anderen Gärtnerei.
Erfolgreich absolvierte Gärtnerlehre
Der 23-jährige Eritreer Biniam Maharena hat seine Integrationsvorlehre bereits 2019
abgeschlossen. Vier Tage in der Woche wurde gejätet, gepflanzt und gehackt, einen Tag sass er auf der Schulbank. Die Gärtnerei Bachmann&Rimensberg in Küsnacht übernahm ihn anschliessend auch für die weitere Ausbildung. «Im ersten Jahr ging es in erster Linie darum, die Schweizer Gepflogenheiten kennenzulernen und sich in das hiesige Bildungssystem einzufügen. Eine Lehre mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis wäre schwierig geworden», berichtet sein Ausbilder Timo Weisner. Grund seien vor allem die geringen Deutschkenntnisse. «Wir erwarten nicht, dass die jungen Leute viel können, aber sie müssen Interesse zeigen und motiviert sein. Das Erlernen der Sprache und Tätigkeiten während der Arbeit gestaltet sich viel einfacher als reine Theorie.»
Inzwischen hat Biniam die EBA als Gärtner absolviert. Er stammt aus einem Dorf, seine
Familie verdient ihren Lebensunterhalt mit Landwirtschaft. «Ich habe insgesamt sieben
Berufserkundungstage besucht. Die Feldarbeit war für mich nichts Neues, ich wusste, dass sie mir liegt. Allerdings hatte ich bei der Lehre zunächst an Gemüseanbau gedacht», erzählt er. «Das Schwierigste bei meinem Abschluss war das korrekte Schreiben der botanischen Namen.» Doch auch das hat er bewältigt. Er wurde die vergangenen vier Jahre von einer freiwilligen Integrationsmentorin begleitet, die ihn beim Erlernen der Sprache und Schrift unterstützte.
Auf Informationsbesuch
Auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz ist momentan Sirus Mohammadi. Der junge Afghane ist bereits seit 2015 in der Schweiz und erhielt im vergangenen Jahr seine Aufenthaltserlaubnis. Deutsch spricht er inzwischen perfekt, nun möchte er eine Berufsausbildung absolvieren und wird von «Trampolin Basic» bei Suche und Bewerbung unterstützt. Die Zürcher Anlaufstelle hilft erwerbslosen jungen Erwachsenen, welche die Voraussetzungen für eine weiterführende berufliche oder schulische Ausbildung noch nicht erfüllen. Sie hatten ihn auch auf die Veranstaltung in der Gärtnerei Sirus aufmerksam gemacht. Noch hat er sich nicht entschieden. Zunächst wird noch in verschiedenen Berufen geschnuppert. Im August möchte er mit einer Integrationsvorlehre starten.
Die Integrationsvorlehre (Invol) ist ein Pilotprojekt, das im August 2018 vom Staatssekretariat für Migration lanciert wurde. Es soll Personen mit Aufenthaltsbewilligung B oder F, also anerkannten Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen, einen raschen Einstieg in das hiesige Arbeitsleben ermöglichen. Das Ziel der Integrationsvorlehre ist es, die notwendigen praktischen und schulischen Kompetenzen für eine Lehre mit Berufsattest oder eidgenössischem Fähigkeitszeugnis zu vermitteln. Die duale Ausbildung mit EBA oder EFZAbschluss ermöglicht eine nachhaltige berufliche Integration und den Zugang zur höheren Berufsbildung.
Die Integrationsvorlehre dauert ein Jahr und wird in der Regel auf den Beginn der beruflichen Grundausbildung abgestimmt. Aufbauend auf den Vorerfahrungen und Kenntnissen der Teilnehmer liegt der Fokus auf sprachlichen Kompetenzen in der jeweiligen Landessprache, schulischen Grundkompetenzen, der Vermittlung kultureller Werte und Normen sowie wichtiger überfachlicher Kompetenzen wie Sozial und Selbstkompetenzen mit Bezug zum Berufsfeld. Die Teilnehmer eignen sich die für ihren Beruf nötigen Grundfertigkeiten und Grundlagenwissen an und absolvieren einen mindestens achtwöchigen praktischen Einsatz in einem Schweizer Betrieb.
Im Kanton Zürich werden die berufsspezifischen Integrationsvorlehren in den Bereichen Gartenbau, Logistik, Gebäudetechnik und reinigung, Gastgewerbe, Detailhandel, Automobil, Betriebsunterhalt, Gleisbau und Hauswirtschaft angeboten. Die Teilnehmer erhalten nach dem erfolgreichen Abschluss eine Teilnahmebestätigung und ein Sprachzertifikat.
Es bestehen kantonale Unterschiede. So wurde auch an der Gartenbauschule Oeschberg in den vergangenen vier Jahren die Integrationsvorlehre für anerkannte oder vorläufig aufgenommene Flüchtlinge angeboten. Mit dem Schuljahr 2022/23 werden die bisherigen drei Vorlehrtypen («Standard», «25plus» und «Integration») zusammengefasst. Die Gartenbauschule ist der Lehrbetrieb und kooperiert mit dem Burgdorfer Bildungszentrum Emme. Das Brückenangebot schafft die Voraussetzungen für die Grundausbildung in den Berufen Gartenbau und Pflanzenproduktion.
Seit Sommer 2021 steht das Pilotprogramm «Invol+» auch Jugendlichen und jungen Erwachsenen ausserhalb des Asylbereichs offen. Im Fokus stehen Personen mit Ausbildungsbedarf aus EU/EFTA sowie Drittstaaten. Personen mit dem Schutzstatus S und einer Arbeitsbewilligung haben ebenfalls Zugang zum Ausbildungsprojekt. (cb)
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