Das Insektensterben setzt Ökosystemen zu. Hauptursache ist der Pestizideinsatz in der stark intensivierten Landwirtschaft. Zwischen 1989 und 2016 gab es allein in Deutschland einen Rückgang von 76 Prozent aller fliegenden Insekten. Das meistverwendete Herbizid Glyphosat könnte dabei eine noch stärkere Rolle spielen als bisher bekannt, so eine Studie unter der Leitung von Anja Weidenmüller, Biologin an der Uni Konstanz.
Wissenschaftler haben sich nun mit den Hummeln beschäftigt. Sie untersuchten die Fähigkeit von Hummelkolonien, die Temperatur ihrer Brut zu regulieren. Hummelvölker halten diese normalerweise auf 32 Grad Celsius.
«Hummelkolonien stehen unter enormen Druck, innerhalb kurzer Zeit möglichst schnell gross zu werden», so Weidenmüller. Wird die ideale Bruttemperatur nicht gehalten, entwickelt sich die Brut langsamer oder gar nicht. «Nur wenn die Hummeln während der relativ kurzen Wachstumsperiode eine gewisse Koloniegrösse erreichen, sind sie in der Lage, Geschlechtstiere, also Königinnen und Drohnen, zu produzieren», erklärt die Biologin.
Die aktuelle Studie zeigt nun einen deutlichen Einfluss von Glyphosat auf die Wärmeregulationsfähigkeit von Hummelkolonien. «Wenn die Ressourcen knapp werden, sieht man sehr deutlich, dass Kolonien, die chronisch Glyphosat ausgesetzt waren, eine Beeinträchtigung im kollektiven Wärmeverhalten zeigen», so Weidenmüller. «Sie sind weniger lang in der Lage, ihre Brut warm zu halten.»
Hummeln können im Gegensatz zu vielen anderen Insekten ihren Körper durch eine verstärkte Muskelbewegung aktiv aufheizen und so auch bei geringen Aussentemperaturen aktiv bleiben. Durch diese Fähigkeit regulieren sie auch die Temperatur im Nest. «Das Zusammentreffen von Ressourcenknappheit in ausgeräumten Agrarlandschaften und Pestiziden kann daher ein massives Problem für die Fortpflanzung der Kolonie darstellen», sagt Weidenmüller.
Bisher wurde in Zulassungsverfahren lediglich getestet, wie viele Tiere nach Fütterung oder Kontakt mit einer Substanz nach 24 oder 48 Stunden gestorben sind. «Effekte auf Organismen, die nicht tödlich sind, sich aber zum Beispiel in der Physiologie oder im Verhalten zeigen, können erhebliche Beeinträchtigungen abbilden und sollten bei Zulassungen von Pestiziden zukünftig mit in Betracht gezogen werden.» In ihrer Studie lebten auch die mit Glyphosat belasteten Hummeln im Schnitt 32 Tage, erreichten also ein durchschnittliches Hummel-Alter.
Die Publikation ist erschienen im Wissenschaftsmagazin «Science» unter dem Titel «Glyphosate impairs collective thermoregulation in bumblebees» doi: 10.1126/science.abf7482.
Text: Alexandra von Ascheraden, Foto: Frauke Riether, Pixabay
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