Dass verschiedene Arten von Stress Pflanzen zum Blühen bringen können, ist bekannt. Dass jedoch Hummeln ganz gezielt Pflanzen "anbeissen", um die Blütenproduktion anzuregen, ist neu. Durch Zufall fanden Forscher der ETH dies heraus.
Wenn der Frühling so früh dauernd warm ist wie dieses Jahr, stehen die Pflanzen schon bald in voller Blüte, drei bis vier Wochen früher als normal. Die befruchtenden Insekten müssen Schritt halten und mit fortschreitendem Klimawandel funktioniert die lang eingespielte Abstimmung zwischen Bestäubern und Pflanzen immer weniger gut.
Die Insekten sind dem Ganzen aber durchaus nicht hilflos ausgeliefert. Forscher der ETH berichten nun im Wissenschaftsmagazin Science, dass sich zumindest Hummeln gut zu helfen wissen, wenn eine Pflanze ihrer Meinung nach endlich Blüten ausbilden soll. Sie brauchen dazu nichts als ihre Mundwerkzeuge und etwas Beharrlichkeit. Kneifen sie lange genug in die Blätter, gerät die Pflanze so unter Stress, dass sie tatsächlich anfängt, früher Blüten auszubilden.
Raffinierte Beschleunigung
Mark Mescher von der ETH erzählt: «Man weiss aus früheren wissenschaftlichen Arbeiten, dass verschiedene Arten von Stress Pflanzen zum Blühen bringen können. Dass die von Hummeln verursachten Schäden die Blütenproduktion beschleunigen, war dann doch unerwartet.»
Auf die Schliche kamen die Forscher den Hummeln per Zufall. An der ETH stehen einige Gewächshäuser mit Pflanzen, die für Versuche benötigt werden. Doktorandin Foteini Pashalidou war aufgefallen, dass sich immer wieder Hummeln an ihren noch nicht blühenden Versuchspflanzen zu schaffen machten.
Zusammen mit Kollegen wollte sie dem auf den Grund gehen. Also besorgten sich die Wissenschaftler einige gezüchtete Erdhummelkolonien (Bombus terrestris) und beobachteten, wie genau sich diese sich an den angebotenen Tomaten- und Senfpflanzen zu schaffen machten. Das Ergebnis: Sie bissen deutlich häufiger an den Blättern herum, wenn ihnen nur wenig Pollen zur Verfügung stand. Gab es genug Nahrungsangebot, stellten sie das Nagen ein.
Bisse zeigen deutliche Wirkung
Es zeigte sich, dass sich die Schäden an Blättern deutlich auf die Blütezeit auswirken. Tomatenpflanzen, die dem «Hummelverbiss» ausgesetzt waren, blühten bis zu einem Monat früher als solche ohne Verbiss. Bei Senfpflanzen verschob sich der Blühzeitpunkt um zwei Wochen nach vorne. Der deutliche Einfluss der Hummeln auf die Blüte erstaunte die Wissenschaftler dann ziemlich.
In einer künftigen Versuchsreihe wollen sie nun noch genauer ansehen, wie sich der «Verbiss» in verschiedenen Entwicklungsstadien der Pflanzen auswirkt. Auch zwei Wildhummelarten, die nicht aus Zucht stammten, zeigten im Freilandversuch übrigens das gleiche Verhalten. Bienen dagegen nicht. Zu forschen gibt es noch genug. Denn die Wissenschaftler haben auch versucht, das Verhalten der Hummeln nachzuahmen, indem sie sich selbst an den Blättern zu schaffen machten. Das brachte die Pflanzen ebenfalls früher zur Blüte. Der Effekt war allerdings deutlich schwächer als der, den die Hummeln erzielten. Sie vermuten daher, dass auch chemische Stoffe beteiligt sein könnten.
Alexandra von Ascheraden
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