Zwei Verbotslisten regeln in der revidierten Freisetzungsverordnung ab September den Umgang mit invasiven Neophyten. Darüber hinaus gelten weitere generelle Vorschriften für gebietsfremde Organismen, welche die Umwelt gefährden könnten.
Am 1. September tritt die angepasste «Verordnung über den Umgang mit Organismen in der Umwelt (Freisetzungsverordnung, FrSV)» in Kraft. Die FrSV ist im Web unter bit.ly/3T1UvRV einsehbar. In einigen Punkten blieben aus Sicht von JardinSuisse-Mitgliedern Fragen offen, die wir für Sie vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) abklären liessen. Wir liefern Ihnen in diesem Beitrag Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Zur FrSV wurden zwei Verbotslisten mit unterschiedlichen Handlungsvorschriften erstellt, betitelt mit «Anhang 2.1» und «Anhang 2.2». Wo genau liegt der Unterschied zwischen den beiden Anhängen?
Das Umgangsverbot verbietet sämtliche beabsichtigten Tätigkeiten mit den aufgeführten Organismen (Anhang 2.1). Einzig die Bekämpfung ist erlaubt. Das Inverkehrbringungsverbot hingegen verbietet nur den Import und die Weitergabe dieser Pflanzen (Anhang 2.2) an Dritte, beispielsweise das Verkaufen oder Verschenken.
Die Verbote sind nicht gleich relevant für alle Personen: Das Umgangsverbot (Anhang 2.1) betrifft grundsätzlich jeglichen Umgang mit den betroffenen Pflanzen, beispielsweise deren Transport, Lagerung, Pflege, Anpflanzen, Vermehrung, aber auch das Inverkehrbringen. Ausgenommen von diesem Verbot sind lediglich Tätigkeiten, durch welche die Pflanzen unmittelbar oder mittelbar bekämpft werden, beispielsweise das Ausreissen oder Ausbaggern oder das Schneiden von Blütenständen. Das Inverkehrbringungsverbot hingegen ist lediglich für diejenigen Personen relevant, die Pflanzen importieren oder weitergeben, beispielsweise verkaufen oder vermieten.
Für die Betriebe der Grünen Branche dürften beide Listen gleichermassen relevant sein. Die Pflanzen der Anhänge 2.1 und 2.2 können nicht mehr an Dritte abgegeben werden. Spezifisch bei den Pflanzen des Anhangs 2.2 ist, dass sie weiterhin gepflegt werden können. Das heisst zum Beispiel, dass eine Gärtnerin keine Hanfpalme verkaufen oder vermieten darf, aber diese Gärtnerin die Hanfpalme weiterhin bei Privaten pflegen darf, wie die Vorbereitung für die Überwinterung bei den Privaten. Ob Gewächshausbetriebe weiterhin Hanfpalmen von Privaten überwintern dürfen, verhandelt JardinSuisse zurzeit mit dem Bafu. Ein anderes Beispiel wäre, dass der Gärtner keinen Kirschlorbeer mehr verkaufen kann, aber dieser Gärtner weiterhin Kirschlorbeerhecken bei Privaten schneiden kann.
Unterliegen alle Sorten mit der DNA von verbotenen Arten, also Kreuzungen, künftig dem Umgangsverbot?
Das Verbot bezieht sich jeweils nur auf die ausdrücklich in den Listen (Anhänge 2.1 und 2.2 der revidierten Freisetzungsverordnung) genannten Arten. Einzig bei Ludwigia spp., Reynoutria spp. und Solidago spp., bei denen auch Hybride ausdrücklich genannt werden, sind diese vom Verbot erfasst.
Ergibt sich aus der geänderten Verordnung irgendein Fall, in dem bestehende Pflanzen in Gärten vernichtet werden müssen?
Nein, es gibt keine Bekämpfungspflicht.
Wie verhält es sich, wenn Gärtner Pflanzen von Kunden als Dienstleistung überwintern, die auf einer der beiden Listen aufgeführt sind?
Das Inverkehrbringen umfasst die Abgabe von Organismen an Dritte in der Schweiz für den Umgang in der Umwelt sowie die Einfuhr von Organismen für den Umgang in der Umwelt (Art. 3 Abs. 1 Bst. k FrSV). Wenn Pflanzen zur Überwinterung an Gärtnereien übergeben werden, handelt es sich um eine Abgabe von Organismen an Dritte. Da das Umgangsverbot auch das Inverkehrbringen umfasst, ist eine solche Überwinterung für Pflanzen nach beiden Anhängen (2.1 und 2.2) verboten.
Sind Entschädigungen vorgesehen für Gartencenter oder Produzierende, die auf Produkten sitzen bleiben, die sich auf den Listen finden?
Nein, es gibt keine rechtliche Grundlage für solche Entschädigungen. Können Betroffene aufgrund der Verbote vertragliche Verpflichtungen nicht mehr einhalten (zum Beispiel Verträge für Pflanzenvermietung oder Überwinterung), ist zu beachten, dass sie die Unmöglichkeit der Abgabe nicht selbst verschuldet haben und daher grundsätzlich auch nicht schadenersatzpflichtig werden können.
Ist absehbar, auf welche Frist die Anhänge 2.1 sowie 2.2 gültig bleiben, bis eine Ergänzung oder Überarbeitung folgt?
Wie im erläuternden Bericht ausgeführt, werden die Anhänge 2.1 und 2.2 regelmässig dem aktuellen Stand von Wissen und Erfahrung angepasst. Berücksichtigt werden dabei insbesondere auch die Entwicklungen in der EU.
Wer ist Ansprechpartner in meinem Kanton, wenn ich Fragen zur Freisetzungsverordnung habe?
Die Liste und Kontakte der kantonalen Fachstellen ist erhältlich unter: www.kvu.ch.
Heckenschnitt in Bezug auf den Prunus laurocerasus: Ist der Schnitt künftig noch statthaft?
Prunus laurocerasus ist im Anhang 2.2 der revidierten Freisetzungsverordnung aufgeführt. Die Arten gemäss diesem Anhang dürfen nach Art. 15 Abs. 2 bis der revidierten FrSV ab dem 1. September 2024 nicht mehr in Verkehr gebracht werden; weitere Formen des Umgangs sind nicht von diesem Verbot betroffen. Die Pflege von Pflanzen nach Anhang 2.2, beispielsweise der Heckenschnitt von Prunus laurocerasus, ist folglich immer noch zulässig.
Wie verhält es sich mit dem anfallenden Schnittgut (von Prunus laurocerasus): Ist eine spezielle Entsorgung vonnöten?
Auch für den Umgang mit organismenhaltigen Abfällen gilt die Sorgfaltspflicht (Art. 29a USG, Art. 6 und 15 Abs. 1 USG). Schnittgut ist daher sachgerecht zu entsorgen; insbesondere muss eine Vermehrung ausgeschlossen sein. Infoflora und Cercle Exotique bieten dazu weiterführende Informationen:https://bit.ly/3VSwpMK und https://bit.ly/3vBwidH.
Unterliegen alle Sorten einer verbotenen Art dem Verbot?
Da eine Art eine höhere taxonomische Einheit bezeichnet als beispielsweise Unterart, Sorte, Varietät, Ökotyp und dergleichen, sind bei der Nennung einer bestimmten Art sämtliche tieferen taxonomischen Einheiten oder Gruppierungen mit gemeint.
Es gibt Gärtnereien, die Pflanzen wie die Chinesische Hanfpalme auf Saisonbasis vermieten. Ist diese Dienstleistung künftig noch zulässig?
Als Inverkehrbringen gilt die Abgabe von Organismen an Dritte in der Schweiz für den Umgang in der Umwelt sowie die Einfuhr für den Umgang in der Umwelt. Eine Abgabe von Organismen an Dritte liegt insbesondere vor, wenn diese verkauft, verschenkt, vermietet, verliehen oder zur Ansicht zugesandt werden (Art. 3 Abs. 1 Bst. k FrSV). Trachycarpus fortunei ist in Anhang 2.2 der revidierten FrSV aufgeführt. Sein Inverkehrbringen wird folglich ab 1. September 2024 untersagt sein. Wie erklärt, stellt auch die Vermietung eine Abgabe an Dritte dar, die unter das Verbot fällt. Die Pflanzen dürfen also nur noch bis zum 31. August 2024 vermietet oder verkauft werden.
Was bedeutet die Bezeichnung «aggr.», beispielsweise «Aster novi-belgii aggr.»?
Ein Aggregat ( aggr. ) bezeichnet eine Gruppierung eng verwandter Arten, die für praktische Zwecke wie eine einzige Art behandelt werden. Welche Arten unter den im Anhang 2.2 FrSV aufgeführten Aggregaten ( Aster novi-belgii und Parthenocissus quinquefolia ) zusammengefasst sind, wird in den jeweiligen Klammern präzisiert und ist auch bei InfoFlora aufgeführt: www.infoflora.ch -> flora
Was bedeutet die Bezeichnung «spp.», beispielsweise «Ambrosia spp.»?
Die Bezeichnung spp. bedeutet species pluralis , das heisst mehrere Arten (einer Gattung). Da es sich bei den Anhängen 2.1 und 2.2 FrSV um invasive gebietsfremde Organismen handelt, sind einheimische Arten nicht mitgemeint. Die vom Verbot betroffenen Arten der jeweiligen Gattung sind jeweils in Klammer präzisiert.
Wenn keine genauere Präzisierung der Arten vorliegt, sind sämtliche gebietsfremden Arten dieser Gattung gemeint, beispielsweise bei Fallopia spp. Zusätzlich ist bei Ludwigia spp., Reynoutria spp. und Solidago spp. bei den deutschen, französischen und italienischen Trivialnamen ausdrücklich vermerkt, dass auch Hybride eingeschlossen sind. In diesem Fall sind auch sämtliche Hybride dieser Arten von den Verboten erfasst.
Was ist genau unter «Myriophyllum spp.» zu verstehen?
Gemäss Infoflora (https://bit.ly/49scCqs) kommen in der Schweiz folgende Myriophyllum-Arten vor: M. alterniflorum, M. aquaticum, M. Heterophyllum, M. spicatum, M. verticillatum.
Von diesen Arten sind nur M. aquaticum und M. heterophyllum gebietsfremd und auf Anhang 2.2 FrSV aufgeführt. Die anderen drei Arten sind nicht gebietsfremd und vom Inverkehrbringungsverbot folglich nicht betroffen.
Pennisetum setaceum: Gemäss aktueller Nomenklatur gehören folgende Sorten zu P. advena oder P. glaucum: Cherry Sparkler, Fireworks, Metallica, Purple Majesty, Red Riding Hood, Rubrum, Rubrum Dwarf, Sky Rocket. Welche Sorten sind vom Verbot betroffen?
Das Inverkehrbringen von Pennisetum setaceum (Anhang 2.2) ist verboten. P. advena und P. glaucum sind gemäss aktuellem Wissensstand andere Arten und fallen demnach nicht unter das Inverkehrbringungsverbot.
Die Gattung Polygonum ist sehr umfangreich und die botanische Nomenklatur führt diverse Synonyme. Bleiben alle Arten erlaubt mit Ausnahme von Polygonum polystachum, Polygonum cuspidatum und Polygonum perfoliatum?
Die in den Anhängen 2.1. oder 2.2 verwendete Nomenklatur entspricht derjenigen, die von Infoflora verwendet wird. Sie entspricht dem aktuellen Stand der Wissenschaft. Das jeweilige Verbot gilt aber auch für Pflanzen, die synonyme Bezeichnungen tragen. Die Frage, welche Arten gemeint sind, wenn eine Gattung mit spp. aufgeführt ist, wurde bereits beantwortet.
Wie verhält es sich ab dem 1.9.2024 mit den nachstehenden Neophyten (siehe Tabelle rechts), die nicht mehr in der Änderung der FrSV erwähnt werden, aber dennoch invasiv sind?
Das Umgangs- beziehungsweise das Inverkehrbringungsverbot (Art. 15 Abs. 2 und 2 bis der rev. FrSV) gilt nur für diejenigen invasiven gebietsfremden Pflanzen, die in den Anhängen 2.1 und 2.2 der revidierten FrSV aufgeführt sind. Darüber hinaus regelt die FrSV aber auch den Umgang mit Organismen in der Umwelt beziehungsweise mit Pflanzen in allgemeiner Weise. Wer mit Pflanzen in der Umwelt umgeht, muss die Sorgfaltspflicht nach Art. 6 FrSV beachten. Wer Pflanzen in Verkehr bringen möchte, untersteht zusätzlich der Selbstkontrolle und der Informationspflicht nach Art. 4 und 5 FrSV. Für (invasive) gebietsfremde Pflanzen gelten die zusätzlichen Anforderungen gemäss Art. 15 Abs. 1 FrSV.
Die Publikation des Bafu (2022) zu den gebietsfremden Arten der Schweiz enthält eine aktuelle Übersicht der (invasiven) gebietsfremden Arten. Nicht alle invasiven gebietsfremden Pflanzen fallen unter das Umgangs- oder das Inverkehrbringungsverbot (Art. 15 Abs. 2 i. V. m. Anhang 2.1 und Art. 15 Abs. 2 bis i. V. m. Anhang 2.2 der rev. FrSV). Pflanzen, wie diejenigen in der Tabelle oberhalb, deren Inverkehrbringen nach wie vor erlaubt ist, müssen jedoch mit den erforderlichen Informationen an die Abnehmerinnen und Abnehmer versehen werden, um sicherzustellen, dass diese so angewiesen werden, dass beim Umgang mit diesen Pflanzen keine Gefährdung für Mensch, Tier und Umwelt besteht (Art. 5 FrSV).
Dies betrifft insbesondere auch die Robinie und die Schneebeere. Ist die Erdmandel noch bekämpfungspflichtig?
Die FrSV selbst sieht keine Verpflichtung mehr für Private vor, invasive gebietsfremde Pflanzen zu bekämpfen. Die Revision ändert weder daran etwas noch berührt sie Bekämpfungspflichten gemäss Landwirtschaftsrecht.
Text: Thomas Pfyffer
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